Ein Rundgang durch die Geschichte des ältesten hessischen Fußballvereins
Im Juli 2003 von Hanns Mattes
Was geschah da so alles vor 110 Jahren, also im Jahr 1893? Sehen wir einmal nach: Die Engländer (zumindest einige von ihnen) gründen die Labour Party, und wenn wir schon bei der Politik sind - in Leipzig wird ein Schneidersohn namens Walter Ulbricht geboren, der später als Machthaber des DDR-Regimes (und wegen seines Spitzbarts) in die Geschichtsbücher eingehen wird: "Spitzbart, Bauch und Brille sind nicht des Volkes Wille". Trendbewußte Eltern taufen anno 1893 ihre Söhne meistens Karl, ihre Töchter Anna - schon damals wurde die Statistik der Vornamen in den Standesämtern penibel geführt. Aber die wirklich wichtigen Ereignisse tragen sich in Hanau zu, genauer gesagt in der Gaststätte "Mohr" an der Krämerstraße.
Zehn Männer treffen sich dort am Abend des 23. März, weil sie eine gemeinsame sportliche Leidenschaft teilten: Sie spielen gerne Fußball. Das ist zu Zeiten des Kaiserreichs beileibe noch keine Selbstverständlichkeit. Turnen, Fechten und Schwimmen - das gilt etwas unter Wilhelm II., aber bitte nicht dieses britische Gekicke.
In England war der Sport - dessen frühesten Wurzeln von den Geschichtsbüchern entweder ins Mittelalter oder nach China vermutet werden - in den vierziger Jahren in Mode gekommen, 1846 schrieben Studenten in Cambridge die ersten Regeln nieder: 15 bis 20 Mitglieder zählte jede Mannschaft, und festgelegt wurde auch, daß die Spieler Kappen mit einer Quaste und knielange Hosen zu tragen hatten. Nicht lachen - die Kappen-Quasten-Vorschrift setzte sich zwar nicht durch, aber bis 1904 mußten die Hosen die Knie der Spieler bedecken. Uneinig waren sich die Sportler auch noch, ob der Ball nur mit dem Fuß, oder auch mit den Händen gespielt werden durfte - dieser Regelstreit führte 1863 zur Trennung von Fußball und Rugby und der Gründung der englischen Football Association. Von England schwappte der junge Sport auf den alten Kontinent. Es waren vor allem Studenten und Handwerker, die nach Besuchen auf der Insel das Spiel mit nach Deutschland gebracht haben.
Fußball auf dem Exerzierplatz
Die Mannschaft von 1899, o.v.l.: Heilmann, Sattler, Hummler, Fiedler, Ph. Hamburger, Kaltenschnee; u.v.l.: Liese, Berghof, Baum, Hechtle, Oehmichen, Ehinger
Sie hatten mit ihrer Begeisterung auch die HFC-Gründerväter infiziert. Die Zehn jedenfalls setzten an diesem Frühlingsabend ihren Beschluß in die Tat um und gründeten einen Fußballverein - den 1. Hanauer Fußball Club 1893, den ersten hessischen Fußballverein. Es müssen weitsichtige Männer gewesen sein, schließlich ist ihre Gründung mittlerweile 112 Jahre alt und in bester Verfassung, deswegen seien auch hier ihre Namen genannt: Ernst Schönfeld, Fritz Houy, Wilhelm Reinhard, Hans Walzig, Jan Zeh, Albert Fecher, Robert Ledergerber, Philipp Ohm, Otto Roessler und Heinrich Tigges hießen die Zehn, die einen der traditionsreichsten, deutschen Fußballvereine gründeten. Im gleichen Jahr wurde übrigens auch der VfB Stuttgart aus der Taufe gehoben, aber erst im September. Jungspunde also.
Einen richtigen Fußballplatz allerdings gab es damals in Hanau noch nicht, die Gründerväter mußten nach anderen Quartieren suchen. In der Garnisonsstadt Hanau gab es damals nur eine Adresse, bei der man sich nach einem geeigneten, ebenen Gelände von ausreichender Größe erkundigen konnte, nämlich das Militär. Bei der örtlichen Kommandantur sprachen die Fußballer also vor und erhielten die Erlaubnis, ihren Sport auf einem Exerzierplatz auszuüben. Um die Disziplin dieser ersten Hanauer Fußballmannschaft dürfte es also vermutlich zum besten bestellt gewesen sein. Allerdings kann man das vom Vereins-Etat nicht behaupten. Als man 1894 in Berlin zum Endspiel um die erste Deutsche Fußballmeisterschaft gegen den späteren dreifachen Deutscher Meister Viktoria Berlin antreten sollte, konnten die Hanauer die Reise nach Berlin nicht bezahlen. Der erste Deutsche Meistertitel ging kampflos an die Viktoria.
„Ostern 1904, Momente aus dem Wettspiel gegen Köln F.C. 1899, gesiegt 5:3“, vermerkt der unbekannte Verfasser auf diesem Bild.
„Ostern 1904, Momente aus dem Wettspiel gegen Köln F.C. 1899, gesiegt 5:3“, vermerkt der unbekannte Verfasser auf diesem Bild. Noch aber steckt der deutsche Fußball in den Kinderschuhen. Von 1897 an werden zwar Spiele um die Süddeutsche Fußballmeisterschaft ausgetragen, aber weil sich nur wenige Mannschaften beteiligen, wird sie nicht im Spielbetrieb einer Liga, sondern als Pokal-Wettbewerb im KO-System ausgetragen. Immerhin nimmt in diesem Jahren die überregionale Organisation der Fußballvereine Gestalt an, 1897 wird der Süddeutsche Fußball-Verband gegründet. Zu den Initiatoren zählt auch der 1. Hanauer Fußball Club, wie auch drei Jahre später bei der Gründung des Deutschen Fußball Bunds am 28. Januar 1900. Dieses Engagement in den Verbänden hat uns der DFB ein paar Jahre später übrigens nicht gedankt, Sie werden es sehen!
Fußball in der Spitzenklasse
Sportlich schwenken die Hanauer Fußballer Anfang des 20. Jahrhunderts endgültig auf die Erfolgsspur ein. Die Mannschaft wird 1905 süddeutscher Vizemeister und Meister von "Ostmain und Nordkreis". Nur zur Einordnung: "Nordkreis" entsprach damals der Hälfte des Gebiets des gesamten Süddeutschen Fußballverbands, die 93er waren also ein absolutes Spitzenteam. Man spielte auch gegen die Kickers Offenbach, die damals allerdings unter der Rubrik "Kanonenfutter" gehandelt und mit 23:1 abserviert wurden. Bei späteren Aufeinandertreffen fiel das Resultat, sagen wir es einmal so, nicht mehr ganz so eindeutig aus.
Aber noch vieles ist Anfang des Jahrhunderts in einer Phase der Neuordnung, so auch der Spielbetrieb. Der Süddeutsche Fußballverband gliedert sich in drei Fußballkreise, und 1907 wird Hanau "Mittelmaingaumeister" und somit Aspirant auf den Meistertitel im Verband. Wer sich aber Meister nennen darf, das wird am grünen Tisch ausgefochten, zwischen Hanau und Freiburg. Das treulose Funktionärsvolk entscheidet erst zu Gunsten Freiburgs, dann gibt es ein Entscheidungsspiel. Freiburg gewinnt 1:0. In den Zeitungsarchiven findet sich ein Kommentar zur Leistung des Schiedsrichters: "Unfähigkeit, auch Kurzsichtigkeit". Was soll's, der Titel geht in den Breisgau.
Dafür spielen die Hanauer in den Jahren bis zum Ersten Weltkrieg weiterhin mit großem Erfolg in der "Nordkreisliga", 1909 erringt man die Meisterschaft. 1914 endet der Spielbetrieb, der Weltkrieg ist ausgebrochen. Von 1915 an werden zwar Spiele um den "Eisernen Fußball" ausgetragen, doch sie bieten keinen echten Ersatz für den regulären Spielbetrieb der Vorjahre. Anstatt sich auf dem Sportplatz zu messen, muß sich die Jugend Europas auf den Schlachtfeldern massakrieren.Kriege enden, Fußball nicht.
Die Mannschaft 1920 auf dem Platz „Zur schönen Aussicht“: Rothard, Karl, Hofmann, E.Krebs, Rumpf, Horst, Zimmermann, Schmidt, Schlett, Lüddemann, H.Krebs
1919 setzt der Verband Spiele für eine Qualifi-kationsrunde an: Je nach Abschneiden wer-den die Mannschaften den Spielklassen zu-geordnet, der 1. Han-auer Fußball Club setzt sich für die höchste Klasse durch. Gespielt wird mittlerweile am Sportplatz "Auf der schönen Aussicht", und die Hanauer Kicker schlagen sich wacker. Das, obwohl sie den Trend zur "Professionalisierung" nicht mitgehen. Zwar ist Fußball noch ein Sport für Amateure, doch die beiden großen Frankfurter Vereine, die Eintracht und der FSV, verpflichten schon damals Legionäre. Aus der Schweiz, Schweden, Norwegen oder Ungarn werben sie Fußballer an.
Fußballer und Funktionäre
Und schon damals ist den Vereinen jedes Mittel zum Erfolg recht, zum Leidwesen des 1. HFC: 1926 macht der "Fall Linnighäuser" Schlagzeilen. Worum ging es? Der FSV Frankfurt setzten besagten Spieler Linnighäuser in einer Mannschaftpartie ein, obwohl der Sportkamerad gesperrt war. Doch der Betrug fliegt auf, den Frankfurtern werden zwei Punkte abgezogen und Hanau ist Meister. Aber (erinnern Sie sich an meine Bemerkung über den undankbaren Verband?) die Funktionäre revidieren überraschend ihre Entscheidung, mißachten ihre Regeln und ordnen ein Entscheidungsspiel an, daß der FSV gewinnt. Hanau ist empört, der Verein zieht vor Gericht und wird - zeitweilig aus dem Fußballverband ausgeschlossen. Parallelen zu aktuellen Entscheidungen über Vertragsverstöße großer deutscher Fußballvereine sind nicht gewollt, sie sind eben einfach da.
Ende der 30er Jahre: Wenn die Mannschaft auswärts spielte, stauten sich gegen Spielende in der Salzstraße die Massen vor dem Clublokal, mit Spannung auf das Ergebnis wartend und um Zeuge der telefonischen Zwischenberichte zu sein.
Die "Schöne Aussicht" genügt nicht mehr, der 1. Hanauer Fußball Club braucht mehr Platz. 1927 entsteht an der Aschaffenburger Straße ein Sportgelände mit drei Spielfeldern, und das Terrain wird der Airport eines sportlichen Höhenflugs. Bis 1939 erspielt die Mannschaft drei Mal die hessische Gaumeisterschaft, Hanau zählt zur deutschen Spitze. Der VFB Stuttgart zum Beispiel kommt, kassiert drei Tore, und geht wieder. Spieler wie Heini Sonnrein repräsentieren Spitzenfußball made in Hanau. Wiederholt stehen die Dreiundneunziger in den Runden um Deutsche Meisterschaft. Von 1939 an verliert allerdings Fußball an Bedeutung, weil die Jugend Europas anstatt auf Sportplätzen ... das hatten wir schon einmal in diesem Text, oder? Immerhin belegt die Mannschaft bis zum Zusammenbruch des Spielbetriebs 1944 vordere Plätze in der Gauliga Hessen.
Dem 1. Hanauer Fußball Club bleibt aber auch über die Katastrophe des Nazi-Regimes hinaus die besondere Behandlung durch die Funktionäre erhalten. Der Verband verweigert dem Verein 1945 die Aufnahme in die süddeutsche Oberliga, Gründe sind nicht bekannt. Die hessischen Pätze gehen an die Eintracht, den FSV und die Kickers (Sie wissen, die mit dem 23:1). Und weil die Fußballer vom HFC das ohnehin nicht mehr brauchten, so entschied die Militärverwaltung angesichts dieses Beschlusses, dann verwenden wir das Gelände an der Aschaffenburger Straße doch lieber für die amerikanische Armee. Der Verein zieht um und organisiert seinen Spielbetrieb auf dem Sportgelände der Dunlop. Organisiert? Eher improvisiert. Nicht einmal Trikots für die Fußballer gibt es, also müssen alte HJ-Leibchen herhalten. Die Trikots waren bei einem Bombenangriff verbrannt. Also wird zur Schere gegriffen, das Hakenkreuz aus dem Trikot geschnitten und gespielt. Es muß erbärmlich ausgesehen haben, jedenfalls spendeten schließlich die sportbegeisterten Amerikaner eine Garnitur für die Fußballmannschaft.
Wie man Bayern München schlägt
Gute Investition: 1950 jedenfalls steigt der 1. Hanauer Fußball Club in die Landesliga Hessen auf, gewinnt mit einem Sieg gegen (mal wieder) die Kickers Offenbach den Hessenpokal, drei Jahre später zieht das Team in die 2. Liga Süd ein. Man schlägt 1955 den Tabellenführer, einen Newcomer namens FC Bayern München, mit 4:1 und bekommt von der Sportpresse bescheinigt, die Münchner "glatt ausgespielt" zu haben. In den Folgejahren pendelt der HFC zwischen der Zweiten Liga Süd und der Hessen-, später zwischen der Hessen- und der Gruppenliga. Bis in die siebziger Jahre währt dieses Wechselspiel. 1966 gelingt in ein Projekt, das später den Bestand des Vereins sichern sollte. Ein steiniger Acker an der Kastanienallee wird in mühevoller Arbeit zum Sportplatz umgewandelt. Zwei Sportfelder und eine Baracke werden aufgebaut, nachdem das Provisorium abbrennt, entsteht das heutige Vereinsheim. Vor allem aber wird das Gelände zum Zentrum der intensiven Jugendarbeit, die bis heute die Basis des Vereins bildet.
DFB-Pokal 1956/1957, HFC - Eintracht Frankfurt 0:3 vor 8000 Zuschauern, A. Ehrhardt und Alfred Wehr im Zweikampf mit Richard Kress
Als größter sportlicher Erfolg der "jüngeren Geschichte" des 1. Hanauer Fußball Clubs gelingt 1978 mit dem Aufstieg in die Zweite Bundesliga. Doch das Glück währt nur eine Saison, schließlich muß die Mannschaft in die Oberliga Hessen absteigen. Kickers Offenbach, der Punktelieferant vergangener Tage revanchiert sich bei den Hanauer, und besiegelt mit einem Sieg den Abstieg des Nachbarvereins. Wieder beginnt ein Wechselspiel, diesmal pendelt der Verein zwischen Ober- und Landesliga, bis zum Abstieg in die Bezirksliga 1987. Es wird eine schwierige Phase für den Club. Schulden belasten ihn, in diesem Zusammenhang geht auch das vereinseigene Gelände an der Kastanienallee verloren. Verloren gehen außerdem zu viele Spiele: 1995 erfolgt der Abstieg in die Kreisliga Hanau.
Krisen und Konsolidierung
Klipp und klar gesagt: Hessen ältester Fußballverein stand damals kurz vor dem endgültigen Aus. 1994 war schon überlegt worden, durch eine Fusion mit Progres Frankfurt und unter Aufgabe der Eigenständigkeit den sportlichen Erfolg wieder zu erzwingen, der Zusammenschluß fand aber keine Mehrheit. Doch die Rahmenbedingungen für den Verein waren mittlerweile schlichtweg katastrophal geworden. War man früher der Zuschauermagnet im Wilhelmsbader Stadion, so waren die 93er dort mittlerweile Zaungäste geworden. Unvergessener Tiefpunkt einer Zeit ohne Vereinsheim oder festen Anlaufpunkt wurde die Phase, in der zwei Kämmerchen im Stadionbau gleichzeitig als Getränkelager und Treffpunkt der Aktiven fungierte, später fand man sich als Untermieter in einem Nebengebäude wieder.
Die Rückkehr auf den Jugendsportplatz 1997 markierte einen Wendepunkt hin zum besseren, obwohl bei weitem nicht feststand, daß dieser Schritt der richtige gewesen war. Das Zentralgebäude befand sich in einem unsäglichen Zustand, die erste Phase des Wiederaufbaus hatte viel mit Müllentsorgung und Entrümpelung, aber wenig mit sportlichem Glanz zu tun. Doch die Prioritäten waren klar gesetzt: Vor einem sportlichen Wiedererstarken mußten die Voraussetzungen für eine Konsolidierung des Vereins geschaffen werden. Daß Begegnungen in der Kreisliga nicht immer unter die Rubrik "sportliche Leckerbissen" fallen, muß in diesem Zusammenhang nicht weiter erklärt werden - umso mehr sollen an dieser Stelle auch die treuen Fans und Supporter genannt werden, die auch in dieser Zeit mit der Mannschaft jubelten oder litten, wobei zum Leiden oft mehr Anlaß gegeben war.
Doch die zähe Basisarbeit sollte sich auszahlen. Schritt um Schritt wurde aus dem verwahrlosten Jugendsportplatz wieder eine schmucke Sportanlage. Man sollte Erfolg ja nicht allein an der Länge der Bandenwerbung festmachen, aber ein Indiz ist sie schon. Und so kann man jedes Schild, das im Laufe der Zeit angebracht wurde, auch als ein Stück des Wegs der Sanierung des Clubs betrachten. Und langsam wurden so auch die Voraussetzungen dafür geschaffen, sportlich wieder Boden gut zu machen. Ein Pfund, mit dem der Verein wuchern konnte, ist auch in den schwierigen Jahren erhalten geblieben: Die Jugendarbeit. Dank des ehrenamtlichen Einsatzes der Trainer, Helfer und Betreuer blieben die Jugendmannschaften immer ein Herzstück des Clubs. Während andere Vereine entweder gar keine Jugendabteilungen besaßen oder nur durch Spielgemeinschaften und Fusionen Mannschaften stellen konnten, blieb den 93ern immer eine breite Basis an jungen Fußballern erhalten.
Das Meisterteam 2003
2000 gelingt nach einer rekordverdächtigen Saison der Aufstieg in die Bezirksliga. 16 Jahre lang hatten Spieler, Fans, Freunde, Funktionäre und Sponsoren darauf warten müssen, daß der 1. Hanauer Fußball Club 1893 e.V. wieder einen Aufstieg feiern konnte. Zwei Jahre später gelingt wieder ein Schritt auf dem Weg der Besserung - die Erste Mannschaft erringt die Meisterschaft in der Bezirksliga (am Ende souveräner, als man zu Saisonbeginn hoffen durfte) und steigt in die Bezirks-Oberliga auf. Der längst überfällige Neubau des Vereinsheims belastete die Finanzlage des Clubs erneut. In der Saison 2005/06 stieg man sang und klanglos wieder in die Bezirksliga ab.
Ab der Saison 2006/07 will der FC Hanau 93 mit einer neuen jungen Führungsmannschaft die erfolgreiche Tradition des ältesten hessischen Fußballclubs wieder aufleben lassen. Momentan spielt das Team in der Bezirksliga um den sofortigen Wiederaufstieg mit. Das ist wenig, wenn man den Blick nur auf die großen Erfolge der Vergangenheit lenkt. Aber es ist eine ganze Menge, wenn man an die schweren Krisen des Vereins in den vergangenen zwei Jahrzehnten denkt. Mit Augenmaß und harter Arbeit ist unter Ehrenpräsident Heinz Blum und seinem Nachfolger Thomas Tamberg in wenigen Jahren/Monaten wieder eine solide Basis für erfolgreiche Arbeit gelegt worden. Und was sollte eigentlich dagegen sprechen, auf dieser Grundlage auch den sportlichen Aufwärtstrend fortzusetzen? Nichts natürlich...
Ergänzung der von Hanns Mattes verfassten Chronik seit 2007:
2007 war das Jahr, in dem das „vergessene Endspiel“ um die erste deutsche Fußballmeisterschaft nachgeholt wurde. Thomas Tamberg, seinerzeit 1. Vorsitzender von Hanau 93, hatte die Geschichte des Finales von 1894 ausgegraben, das in Berlin zwischen Viktoria 89 Berlin und Hanau 93 ausgetragen werden sollte, zu dem die 93er aber wegen der zu hohen Fahrtkosten nicht angetreten waren. Im Sommer 2007 wurde dies nun symbolisch nachgeholt, mit Hin- und Rückspiel. Regionale und nationale Medien berichteten über das Ereignis, für das sogar der damalige DFB-Präsident Theo Zwanziger die Schirmherrschaft übernahm, und zum Hinspiel im Herbert-Dröse-Stadion zu Hanau-Wilhelmsbad kamen fast 5.000 Zuschauer! Die zwei Ligen höher rangierenden Berliner siegten in Hanau mit 3:0; vom Rückspiel an der Spree brachten die 93er dann ein mehr als achtbares 1:1-Remis mit.
Über die Vizemeisterschaft 2007/2008 in der Bezirksliga Hanau und die Aufstiegs-Relegation wurde die Rückkehr in die nunmehr als Gruppenliga Frankfurt-Ost bezeichnete nächst höhere Spielklasse geschafft, die man jedoch nur ein Jahr später als Tabellen-15. wieder verlassen musste. Neuer Anlauf nur ein Jahr später: Meisterschaft in der Kreisoberliga Hanau und erneuter Aufstieg in die Gruppenliga.
Diesmal konnte die Gruppenliga mit einem sicheren 7. Platz gehalten werden, doch schon in der Saison 2011/12 ging es erneut zurück in die Hanauer Kreisoberliga.
2013 war Hanau 93 mal wieder in aller Munde, zumindest in heimischen Gefilden: Man sprach (in Anlehnung an das „Sommermärchen“ zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland und an Hanau als Brüder-Grimm-Stadt) von einem „Hanauer Pokalmärchen“. Was war geschehen? Der FC Hanau 93, zu diesem Zeitpunkt Kreisoberligist, hatte zunächst ganz überraschend den Hanauer Kreispokal gewonnen, setzte sich am 20. Mai 2007 im Endspiel im Herbert-Dröse-Stadion vor gut 1.000 Zuschauern gegen den Gruppenligisten FC Erlensee mit 2:0 durch, und war damit zugleich für den Hessenpokal 2013 qualifiziert.
Das Los bescherte den 93ern einen schier übermächtigen Gegner: den Hessenligisten Sportfreunde Seligenstadt! Also ein um drei (!) Spielklassen höher angesiedeltes Team. Doch wie heißt es so schön? „Der Pokal hat seine eigenen Gesetze“, und so kegelte der HFC den verdutzten Oberligisten mit 2:0 aus dem Wettbewerb.
Nächste Runde- diesmal ein Verbandsligist, der FV Bad Vilbel, also auch immerhin zwei „Etagen“ über dem Kreisoberligisten beheimatet. Der hatte nichts aus dem Ausscheiden der Seligenstädter Sportfreunde gelernt und zog an der Kastanienallee mit 1:2 den Kürzeren. Hanau 93 stand damit im Achtelfinale des Hessenpokals.
Dort wartete „nur“ ein Gruppenligist, Eintracht Baunatal. Der schaffte es immerhin bis ins Elfmeterschießen, wo die Platzherren die besseren Nerven hatten- am Ende stand ein 6:3 für Hanau auf dem Spielbericht. Bis dahin hatte der 1. Hanauer FC 1893 Saison-übergreifend bereits sechs höherklassige Mannschaften in Serie aus dem Pokal geworfen!
Endstation war dann erst im Viertelfinale Hessenligist FC Bayern Alzenau, als Hanau 93 wegen der Verletzungen mehrerer Leistungsträger buchstäblich mit dem „letzten Aufgebot“ antreten musste, lange sehr gut mithielt und sich am Ende mit einem 2:5 beugen musste, aber dennoch hoch erhobenen Hauptes vom Platz ging. Nun warten und hoffen alle 93er-Fans, dass es recht bald einmal eine Neuauflage des „Hanauer Pokalmärchens“ geben möge.
2014/15 dann die herausragende Meisterschaft: Die Mannschaft beendete die Saison ungeschlagen; bis auf ein einziges Unentschieden wurden alle Spiele gewonnen. 88 von 90 möglichen Punkten geholt, 140:28 Tore- es war eine Saison der Rekorde für Hanau 93. Giovanni Fallacara hatte als Sportlicher Leiter das Zepter übernommen; ehemalige Profis wie Daniyel Cimen und Ervin Skela prägten zusammen mit dem herausragenden Torhüter Manuel Hegenauer oder Stürmer und Goalgetter Kahraman Damar (50 Tore!) das Bild des „neuen“ FC Hanau 93.
Im folgenden Jahr schien lange Zeit sogar der „Durchmarsch“ in die Verbandsliga möglich, bevor eine noch heute unerklärliche Niederlagenserie alle Träume beendete. Der Aufstieg wurde dann jedoch nur ein Jahr später Realität: Das zwischenzeitlich weiter verstärkte Team, in dem aber auch etliche HFC-Eigengewächse eine zunehmend tragende Rolle spielten, schaffte nach einer überaus spannenden Saison gegen die starke Konkurrenz aus Nidda und Rodgau die Meisterschaft und den Aufstieg in die Verbandsliga. Nach rund 30 Jahren gehört Hessens ältester Fußballclub somit endlich wieder der zweithöchsten hessischen Amateurliga, der Verbandsliga, an!
Und da die Meistermannschaft weitestgehend zusammenblieb, sogar nochmals gezielt verstärkt werden konnte, spielte der HFC auf Anhieb auch in der Verbandsliga Hessen-Süd, Saison 2017/18, eine sehr gute Rolle. Hinter Meister FV Bad Vilbel und „Vize“ Türk Gücü Friedberg, die beide den Sprung in die Hessenliga schafften, belegte man einen ausgezeichneten 3. Tabellenplatz und eroberte sich damit zugleich die fußballerische Nr.1-Position in der Stadt Hanau und ihrem Umland zurück. Gekrönt wurde die erfolgreiche Spielzeit durch den Gewinn des Kreispokals. Im Finale im Herbert-Dröse-Stadion bezwang man am Pfingstmontag des Jahres 2018 vor über 1.000 Zuschauern den Lokalrivalen SC 1960 Hanau durch Christoph Prümms „goldenes Tor“ mit 1:0 in der Verlängerung.
Für 2018/2019 war die Zielsetzung ganz klar der Aufstieg in die Hessenliga. Mit Tim Fliess und Khaibar Amani, afghanischer Nationalspieler, kamen zwei renommierte und erfahrene Spieler vom Regionalliga-Aufsteiger Hessen Dreieich an die Kastanienallee. Weitere Verstärkungen ließen die 93er als erklärte Meisterschaftsfavoriten in die Verbandsliga starten. Und so stand die Vorrunde ganz im Zeichen von Hessens ältestem Fußballclub; man blieb ungeschlagen, bezwang vor allem die unmittelbaren Konkurrenten (SC 1960 Hanau, 1. FC Erlensee, Rot-Weiß Walldorf) in den direkten Vergleichen mit starken Leistungen. Trotz einer überraschenden Heimniederlage im zweiten Rückrundenspiel gegen Eintracht Altwiedermus ging Hanau 93 mit komfortablem 9-Punkte-Vorsprung in die Winterpause.
Hatte man sich deshalb schon zu sicher gefühlt? Drei Auswärts-Niederlagen „am Stück“, darunter das deutliche 2:5 beim Konkurrenten aus Walldorf, sowie die unglückliche 1:2-Heimniederlage gegen die SG Bornheim/Grünweiß Frankfurt kosteten die Tabellenführung, da vor allem Rot-Weiß Walldorf äußerst konstant spielte und sich keine Blöße gab. Am Ende erreichte man dennoch klar die Vizemeisterschaft, die zur Teilnahme an der Relegation für die Hessenliga berechtigte.
Gegen die Zweiten der Verbandsligen Hessen Mitte und Nord, TuS Dietkirchen und SV Neuhof, unterlagen die 93er dann jedoch mit 1:3 bzw. 0:1- alle Aufstiegsträume schienen definitiv geplatzt zu sein. Neuhof ging als Relegations-Erster nach oben; Dietkirchen folgte, da Bayern Alzenau in die Regionalliga aufgestiegen war. Dann jedoch machte am 19. Juni die Nachricht die Runde, dass der FSC Lohfelden kurzfristig seinen Rückzug aus der Hessenliga erklärt habe und dass Hanau 93 den frei gewordenen Platz möglicherweise einnehmen könnte. Wenig später die offizielle Bestätigung durch den Klassenleiter der Hessenliga; da man seitens der Sportlichen Leitung beim HFC ohnehin zweigleisig, also für Verbands- und Hessenliga, geplant und den Kader weiter verstärkt hatte, konnte man an der Kastanienallee sofort dazu „ja“ sagen.
Nach 33 Jahren also die Rückkehr des 1. Hanauer Fußballclubs 1893 in die höchste hessische Amateurliga! Natürlich sind die Umstände am Ende recht glücklich gewesen. Sie sind aber auch der verdiente Lohn für Jahre der Aufbauarbeit. Noch vor wenigen Jahren war der HFC in der Kreisoberliga Hanau beheimatet, hat sich Jahr für Jahr nach oben gespielt und gearbeitet. Dieser Aufstieg ist den Spielern um Mannschaftskapitän Kahraman Damar oder auch 93er-Urgestein Ahmed Raafat von Herzen zu gönnen, ebenso wie dem „Vater aller Erfolge“ bei Hanau 93, Giovanni Fallacara. Und natürlich auch den vielen anderen ehrenamtlichen Helfern vor und hinter den Kulissen, die durch diesen Aufstieg nun ebenfalls die Früchte ihrer jahrelangen Arbeit genießen können. Nicht zu vergessen die HFC-Supporters, die ihre Jungs immer wieder unterstützen und anfeuern, die sie zu Hause wie auswärts nie im Stich lassen und die im Amateurbereich ebenso ungewöhnlich sind wie dieser Traditionsclub aus der Brüder-Grimm-Stadt Hanau!